Neunutzung Bauernhof Seuzach
Projekt
Ein Vielzweckbauernhaus mit zwei Wohnungen, Tenn, Ställen, Werkstatt und Heuboden wird nachhaltig in Wohnungen zeitgemässer Ausstattung verwandelt und so weiter genutzt. In einem engen, kollegialen Prozess entwickelten die Architektinnen und die Bauherrschaft eine zweigeschossige Familienwohnung im Wohnhaus und drei unterschiedlich grosse Wohnungen als durchgesteckte Schnitze entlang der bestehenden Tragstruktur im Ökonomieteil, die beidseitig besonnt sind.
Für den kommunalen Denkmalschutz spielte hauptsächlich das äussere Erscheinungsbild im alten Dorfkern von Seuzach inklusive der Gliederung in massive und holzige Fassaden, sowie das mächtige Walmdach eine Rolle. Im Inneren waren die historische Riegelkonstruktion und Binnenstruktur substanziell relevant.
Über die energetische Sanierung hinaus wünschte die Bauherrschaft einen vorbildlichen Umgang beim Bauen und der folgenden Nutzung hinsichtlich Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit aller. Somit entstand ein Team von Handwerker:innen und Planer:innen mit gegenseitigem Verständnis, das diese Wertvorstellungen teilte, Erfahrungen dazu mitbrachte und schon vorher zusammengearbeitet hatte. Dies trug zur Identität des Gebäudes bei und ermöglichte regionale Wertschöpfung im Handwerk und in der Materialbesorgung.
Dem Gebäude zuliebe wurden nur zwei Etagen ausgebaut, meist mit Küche und Wohnraum im Erdgeschoss und Zimmern und Bädern im Obergeschoss. Jede Wohnung hat ihren besonderen Reiz. Die Tennwohnung profitiert von der Überhöhe der Durchfahrt und dem Höhenversatz zum Heuboden, die Mittelwohnung von der Tieferlegung zum Terrain hin und dem Futterplatz. Die Westwohnung auf einem Geschoss erhielt analog dem Haus eine Laube. Das Bauernhaus ist wie die Maisonette-Wohnungen barrierefrei zugänglich und durch räumliche Öffnung sowie durch mehrere Niveaus grosszügig und lichtdurchlässig gestaltet.
Baubeschrieb
Naturbaustoffe
Kern der Gestaltung ist das pure Material, vor allem Lehm mit seiner hervorragenden Grauenergiebilanz und den klimasteuernden Eigenschaften. Weitere Naturbaustoffe, die auch in Erstellungsenergie und verträglichen Inhaltsstoffen punkten, kamen ergänzend etwa als Holzkonstruktion und Schafwoll- und Hanfdämmung zum Einsatz. Über die Betrachtung der Betriebsenergie hinaus werden lokale, rezyklierbare Rohstoffe bevorzugt und so die Kriterien der Minergie-ECO-Zertifizierung fast beiläufig bedient. Neben Schweizer Holz für Zimmermannsarbeiten, Holzschalung und Böden betraf dies wiederum den Lehm.
Lehm
Der Lehmgrundputz besteht aus Aushub aus der Nähe, weil beim Umbau wenig Erdmaterial anfiel. Neben dem Baulehm aus Seuzach, Stadel und Ellikon war auch der Ziegeleilehm aus Berg TG bewährtes regionales Bindemittel. Auf Basis dieser Rohlehme wurden ebenso Deckputze entwickelt, die den architektonischen Überlegungen entsprachen.
Kalk
Aber auch Kalk hatte hier seine Bewandtnis. Wegen kapillarer Feuchte im Erdgeschoss und versalzenen Wänden in den ehemaligen Ställen bot sich dieser mit seinen hygienischen Stärken traditionell in Küchen und Nasszellen an und trägt mit Luftigkeit zum Gesamtkonzept bei.
Energie
Der von den Handwerkern entwickelte Dämmputz kam als mineralische Mischung im Sockelbereich und mit Faserzuschlägen an allen anderen Bollersteinmauern darüber zum Einsatz. Boden- und Deckendämmung, sowie Fensterersatz gewährleisten im Gesamten energetisches Haushalten.
Materialisierung
Weiterhin erhielt die Erschliessung der Wohnungen eine horizontale Holzschalung in Weisstanne, wie auch die Böden und Decken der Schlaf- und Wohnräume. Wiederverwendete Tonplatten und neue Kalkmörtelböden ergänzen die Böden im Erdgeschoss. Die Bäder sind im Nassbereich durch keramische, grau-strukturierte Platten bzw. mit Holzschalung an Oberwänden bekleidet, die innenliegenden Baddecken mit Lehmplatten und Deckputz.
Wiederverwendung
Wirkmächtige Holzbauteile wie Balken, Stützen und Decken wurden restauriert und ergänzt. Der Bauherrn oder Unternehmer besorgten Altgut-Bauteile, die aus Bauteillagern und anderen Baustellen stammten. Sie wurden wieder eingebaut, ggf. angepasst und durch eine aufwändige Restaurierung von Beschlägen seitens der Bauherrschaft vervollkommnet.
Konzept / Idee
Lehm war gesetzt und die Lust auf Lehm war Antrieb möglichst viel Lehm zu verwenden ohne dogmatisch anderes auszuschliessen. Dazu definierte der inhomogene Bestand vor allem die Wandaufbauten, aber auch Einsatzorte und Auswahl der Grundmaterialien, die schlüssig ineinander greifen.
Materialtradition
Lehm dient als thermische Masse bei den Wandheizungen und allgemein als Feuchteregulierung, ebenso der Behaglichkeit und beruhigenden Atmosphäre. Er kommt sowohl als Putz wie auch verdeckt als Lehmschüttung, Lehmstein oder Lehmplatte vor. Wie von jeher trägt auch dieser Umbau die Handschrift regionaler Materialien und fördert die Identifikation. Die willkommenen Entwicklungsprozesse zum Verputz entspringen der Motivation der Handwerker, insbesondere beim Dämmputz. Bei den Lehmdeckputzen war die Vorgabe der Rohlehme und Raumwirkung massgebend und Basis vielfältiger Mischungen, die die Lehmbauer in einem wechselseitigen Prozess hervorbrachten.
Kultur des Bauens
Die Handwerkskunst hatte einen hohen Stellenwert nicht nur beim Lehmbau, sondern auch beim Schreiner oder Schlosser. Aber auch eine gute Stimmung auf der Baustelle war allen ein Anliegen, das Gemeinschaft und Austausch ausdrücklich förderte und die gegenseitige Wertschätzung unterstützte.
Teil des Teams war auch die Bauherrschaft selbst in professioneller Manier und auch andere sozial orientierte Engagements und Vermittlung fanden Platz.
Wandaufbau Innen
Der Bestand ist voller unterschiedlicher Untergründe. Dennoch liegt unter den Deckputzen und Kalkglätten der neuen und alten massiven Wände überall Grundputz, allenfalls mit Wandheizungen, darunter an den Aussenwänden Kalkdämmputze. Die gedämmten Holzkonstruktionen erhielten Schilfplatten als Putzträger oder im inneren diagonale Holzschalungen mit Schilfmatten unter den Grundputzen. Holzleichtbau mit Lehm- oder ggf. auch Gipsfaserplatten nur mit Deckputzen ergänzen die Palette situativ.
Bestandesanalyse / Sanierungsmassnahmen
Spannend am Bestand waren insbesondere die lokalen Ursprünge der Materialien in der Konstruktion und die alte Substanz, die sich über Jahrhunderte bewährt hatte.
Die freigelegten Riegelwände mit Kalk-Lehm-Stroh-Mischungen wurden fachgerecht mit adäquaten Mischungen geflickt und restauriert.
Putzrezeptur
Lehm ist bereits ein Gemisch aus Ton, Schluff und Sand. Die Eigenmischungen bauen auf Aushublehm auf, der zu Grundputzen abgemagert wurde. Die Deckputze sind vorrangig mit hellem Kalksand gemischt. Wenn spezifische gestalterische Effekte mit dem erdfeuchten Material nicht möglich schienen, wurde in zweiter Priorität Lehmpulver von ferneren Herstellern beigemischt.
Sumpfkalkdämmputz
• Sumpfkalk
• Hydraulischer Kalk NHL5
• Perlite
• Hanfschäben
• Sägemehl
• etwas Grasfasern
Lehmgrundputze
• Aushublehme aus Ellikon, Seuzach, Stadel
• Ziegeleilehm aus Berg
• Maurersand 0-4mm
• wenig Strohfasern
Lehmdeckputze
vorrangig
• Elliker Aushublehm oder Berger Ziegeleilehm
• Egerkinger Kalksand 0-0.8mm und/ oder 0.8-1.1mm oder Spielsand 0-1mm
allenfalls
• mit farbigem Lehmpulver oder Opalit-Tonpulver
• ev. feine Holzfasern
• ggf. Kuhmist oder Methyl-Zellulose
nachrangig
• Lehmdeckputzprodukt
Kalkputz
• Sumpfkalk
• Egerkinger Kalksand
• Prise Hydraulischer Kalk NHL5
Sumpfkalkglätte
• Sumpfkalk
• Marmormehl 0-0.5mm
• Pigmente Ultramarin, Chromoxidgrün, Eisenoxidschwarz, Umbra grün
Verputztechnik / Struktur und Textur
• Lehmgrundputze maschinell zweischichtig aufgebracht und abgezogen
• Lehmdeckputze manuell aufgezogen, zweischichtig nass in nass, mit Traufel aufgezogen, in halbfestem Zustand mit Japankelle homogen verdichtet
• im Haus z.T. mit verschiedener Körnung letzter Strich horizontal, mit Japankelle Spuren verwischt und leicht verdichtet
• bei Sperrputz: dreischichtig mit mehrmaligem Auftrag von Kuhmistschlemme dazwischen
• Kalkputze einschichtig mit Traufel aufgezogen und in halbfestem Zustand mit Japankelle kurz verdichtet
• Kalkglätte, zweischichtig in Kornstärke aufgetragen, mit Kelle geglättet und verdichtet, geseift mit Olivenseife
Farbkonzept
Die Idee des Weiterbauens mit vorhandenen, natürlichen und lokalen Materialien wie auch die Wünsche der Bauherrschaft nach sonnengeprägten Stimmungen ist Antrieb für das Materialgefüge. Lehm und Kalk sind wandlungsfähig, passen zu diesen verschiedenen Oberflächen und altern schön. Die dauerhafte Farbigkeit mit Erd- und Pastelltönen vermittelt Bodenhaftung und Leichtigkeit.
Aufgehellte örtliche Lehmputze in grünen, sandigen und erdigen Tönen, werden entsprechend den Bedürfnissen der einzelnen Räume angewandt und fallweise mit leuchtenden oder warmen Lehmpulvern modifiziert, um Lichtverhältnisse etwa im Obergeschoss, die Nutzung etwa als Schlafräume und die Gestaltung etwa passend zum Holz zu berücksichtigen. Analog sind Kalkglätten in WCs und dem Bad mit Fenster klar und kühl pigmentiert oder der Kalkputz im Erdgeschoss naturweiss belassen.